Liebe Flensburger*innen, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Simone Lange und sehr geehrte politischen Entscheidungsträger*innen aller Fraktionen und fraktionslose Ratsleute!
In der öffentlichen Bekanntmachung der Tagesordnung des Finanzausschusses vom 14.10.2020, 26. Sitzung ist dort in der Beschlusskontrolle folgendes vermerkt:
„Überprüfung, weshalb mit der FA-23/2020 das Grundstück der ehemaligen Ballastbrücke an die Firma Holt & Nicolaisen anhand gegeben wurde, obgleich für das Gebiet Hafen-Ost grundsätzlich Grundstücke nur im Wege einer Erbpacht vergeben werden sollen. Ggf. Verdeutlichung ggü. der Firma Holt & Nicolaisen.“
Die FA-85/2021 (neues Aktenzeichen!) wurde schon am 02.12.2021 im Finanzausschuss verhandelt. Ein endgültiger Beschluss wurde offensichtlich noch nicht gefasst, sondern es stand im Rahmen der FA-85/2021 am 20.01.2022 wiederum auf der Tagesordnung des Finanzausschusses. Auch diesmal wurde die Beschlussvorlage nach der Beratung auf die nächste Finanzausschusssitzung vertagt. Das ist der heutige Sachstand.
Da das in der FA-85/2021 genannte Grundstück innerhalb der Sanierungsgrenzen Hafen-Ost liegt, kann das Grundstück nicht verkauft, sondern nur in Erbpacht über 75 Jahre zu 7 % Jahreszins vergeben werden. Dieses ist so festgelegt in der beschlossenen RV-15/2019 und dazu ergänzend auch noch in der RV-20/2019.
Das Zwischenergebnis dieser Recherche zeigt auf, dass eine der beiden folgenden Vorgehensweisen zutrifft.
- In der Ratsversammlung RV-18/2020 am 30.04.2020 wurde die Anhandgabe (Verkauf) des Grundstückes beschlossen, ohne vorher im Finanzausschuss beraten worden zu sein. Verkäufe von städtischen Grundstücken gehen in aller Regel zunächst in den Finanzausschuss und werden erst danach im Rat behandelt.
- Dieser Beschluss wurde unter Vorbehalt der Zustimmung des Finanzausschusses im Rat beschlossen.
Uns ist nicht bekannt, ob a) oder b) zutreffend ist, was aber von untergeordneter Bedeutung ist. Aber nach der Faktenlage nehmen wir an, dass b) zutrifft. Und weiter vermuten wir, da bis heute noch keine Entscheidung im Finanzausschuss getroffen wurde, dass zumindest einige der Entscheidungsträger im Finanzausschuss genau wissen, dass die Zustimmung zur FA-85/2021 eine Rechtsbeugung darstellt. Das ist unseres Erachtens nämlich der Fall. Denn auf Seite 5, Abs. 3 der RV-15/2019 ist eindeutig festgelegt, dass die Grundstückvergabe nur durch Erbpachtverträge erfolgen soll, was in der RV-20/2019 ergänzend noch einmal verdeutlicht wird. Diese und solche Festlegungen in der RV-15/2019 stellen Normen dar, die von der Ratsversammlung beschlossen wurden und von allen, auch von der Ratsversammlung und insbesondere auch von der Verwaltung, einzuhalten sind.
Darüber hinaus wissen wir, dass die Aufhebung der Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Hafen-Ost“, bekanntgegeben am 02.01.2020, beim Oberverwaltungsgericht Schleswig beantragt wurde (Normenkontrollklage).
Der Normengeber ist die Ratsversammlung mit ihrem Beschluss der RV-15/2019, in dem die Normen festgelegt wurden. Die erste Satzung des Sanierungsgebietes Hafen-Ost ist in einer Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts bis zur Entscheidung in der Hauptsache (Normenkontrollverfahren) außer Vollzug gesetzt worden. Daran ändert ein erneuter Satzungsbeschluss nichts. Ein endgültiges Urteil des Oberverwaltungsgerichts liegt jedoch bis heute nicht vor, und es ist fraglich, ob zurzeit überhaupt Fakten geschaffen werden dürfen wie zum Beispiel die Vergabe oder gar ein Verkauf (!) des Grundstückes an einen Flensburger Investor. Das würde auf jeden Fall den Verdacht der Vorteilsgabe schüren.
Abschließend sei noch vermerkt, dass das alte unter Denkmalschutz stehende Pumpenhaus seit Jahren von der Freiwilligen Feuerwehr (FFW) Innenstadt genutzt wird. Uns ist bekannt, dass für alle Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Flensburg neue Unterbringungsmöglichkeiten gesucht werden. Das ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, so dass zunächst einmal untersucht werden sollte, ob die FFW endgültig auf diesem Grundstück oder anderenorts in der Innenstadt oder innenstadtnah untergebracht werden kann. Eine Ausschreibung und Vergabe dieses Grundstückes sollte auf jeden Fall erst dann stattfinden, wenn eine neue Unterbringung der FFW anderenorts bezugsfertig ist.
Liebe Flensburger*innen und politische Entscheidungsträger, glauben Sie, dass das noch mal etwas wird mit dem Sanierungsgebiet Hafen-Ost, dem Leuchtturmprojekt, dessen Leuchtfeuer noch nicht einmal zu glimmen begonnen hat? Die erforderlichen Ressourcen sind in jeder Hinsicht zu knapp bemessen, so z. B. die Zeit, das Geld. Und die Planungen sind u. E. in der Umsetzung nicht gesetzeskonform. Diese Aufzählung könnte noch weiter fortgesetzt werden, aber man will es ja in Zukunft mit „Suffizienz“ versuchen, eine Einsicht, die viel zu spät kommt.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, Ihre Einsicht bedeutet doch zugleich, dass das bisherige Vorgehen in Sachen Hafen-Ost insuffizient war, was wir schon lange gleichermaßen wie Sie empfinden. Jedoch setzt Suffizienz auf jeden Fall eine ausreichende Kompetenz voraus.
Aktuell geht es um den Verkauf der städtischen Immobilie Ballastbrücke 1 (ehemalige Pumpstation). Sollte der Finanzausschuss dem Verkauf zustimmen, wäre das u. E. ein Rechtsverstoß gegen die Normen, die in der RV-15/2019 1. Ergänzung für das Sanierungsgebiet festgelegt wurden und somit ein Fall für die Kommunalaufsicht.
Mit freundlichen Grüßen
Bürgerinitiative Flensburger Hafen e.V.
Der Vorstand