Liebe Flensburgerinnen und Flensburger,
routinemäßig prüfen wir die Tagesordnungspunkte der Ratsversammlungen, ob das Sanierungsgebiet „Hafen-Ost“ behandelt wird, und mussten feststellen, dass in der Ratsversammlung am 04.05.2023 unter Top 4 eine Aktuelle Stunde zu eben diesem Thema abgehalten werden sollte.
Erfreulicherweise haben wir rechtzeitig erfahren, dass die Ratsfraktion von Bündnis soziale Stadt diesen Programmpunkt mit der Themenvorgabe „Zukunft des Wirtschaftshafens“ eingereicht hatte.
Unsere Erwartung war, dass nach den demokratischen Regeln verfahren wird, und somit eine Fraktion, die eine Aktuelle Stunde beantragt, zunächst einmal ausführlich darstellen kann, warum ihr das erwähnte Thema so wichtig ist.
Doch nichts dergleichen, denn der Ratsfrau G. Ritter, Fraktionsvorsitzende von Bündnis soziale Stadt, wurde von dem Stadtpräsidenten einleitend gesagt, dass ihr als diesen Tagesordnungspunkt einbringende Fraktion nur eine Redezeit von 5 Minuten eingeräumt werden kann.
Das fand sie empörend, aber es blieb dabei. Unter Protest konnte sie deshalb nur einzelne Passagen ihrer Rede vortragen.
Für uns war es erklärlicherweise aber wichtig den Gesamttext der Rede zu kennen und daher haben wir ihn angefordert. Er ist interessant, sicher auch für Sie.
Frau Ritter hat uns erlaubt, ihren Einführungstext in voller Länge zu veröffentlichen:
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„Flensburg ist seit Jahrhunderten eine Hafenstadt und hat bis heute einen Wirtschaftshafen mit überregionaler Bedeutung. Das verpflichtet uns, Hafenwirtschaft möglich und entwicklungsfähig vorzuhalten. Über die Verpflichtung hinaus stände es der Klimastadt Flensburg gut zu Gesicht, ihre Hafeninfrastruktur zu erhalten, auszubauen und zu bewerben, um so viel Güterverkehr wie möglich von der Straße zu holen.
Kommunalpolitik und Verwaltung haben stattdessen lange daran gearbeitet, unsere Hafenwirtschaft kaputt zu machen.
Zunächst wurde Stück für Stück die Fläche verkleinert.
2016 stellte sich heraus, dass die Nutzungsentgelte in so astronomische Höhen gehievt worden sind, dass sie für die Unternehmen wirtschaftlich nicht mehr darstellbar waren. So wurden Unternehmen, die den Wirtschaftshafen nutzen wollten, gezielt vergrault.
Das angebliche Defizit des Wirtschaftshafens wurde herbeigerechnet, indem die Berechnungen auf den gesamten Hafen bezogen wurden. Die eingenommenen Hafengebühren gingen überwiegend direkt in die Stadtkasse, während sich die Ausgaben, von Kaikantensanierung bis zur Badebrücke am Osteebad und Instandhaltung der Hafenanlagen, in den Büchern der Hafen GmbH wiederfinden. So lässt sich Hafenwirtschaft defizitär darstellen, ist aber keineswegs seriös.
Auch die Beteiligung ist mehr als fragwürdig: Zunächst wurde den Flensburger*innen ein Umbau zu einem erlebbaren Hafen suggeriert. Dann war plötzlich ein urbanes Gebiet daraus geworden. Ein Wohnquartier ganz ohne Hafenwirtschaft. Ich erinnere noch gut eine große Veranstaltung mit von weither angereisten Expert*innen. Es sollte um Suffizienz gehen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung machte Frau Takla-Zehrfeld deutlich: Der Wirtschaftshafen solle kein Thema sein.
Bei der digitalen Öffentlichkeitsveranstaltung im Mai 2020 wurde nachgefragt, woher die Gewissheit käme, dass die Mehrheit der Einwohner*innen für den Umzug der Hafenwirtschaft auf die Westseite sei. Arne Rüstemeier antwortete für seine CDU wie folgt.
„Das ist demokratisch geregelt. Wir haben eine repräsentative Demokratie, und die Mehrheit der Ratsversammlung hat das im Namen der Flensburger Bevölkerung ebenso entschieden.“
Ein Demokratieverständnis, das völlig aus der Zeit gefallen ist, sich aber auch bei anderen Streitpunkten durch die Mehrheit der Ratsversammlung und ihrer Entscheidungsfindung zieht.
Die Grünen beklagten ein ökologisches Desaster, weil doch die Schiffe mit Schweröl angetrieben, durch unsere schöne Förde pflügen. Sie müssen gewusst haben, dass der Antrieb mit Schweröl schon seit vielen Jahren sowohl in der Ost- als auch in der Nordsee verboten ist.
Über die gesamte Planungszeit erleben wir eine schier endlose Aneinanderreihung von Auslassungen und Falschinformationen, um den Hafenumzug zu rechtfertigen und durchzudrücken. Sie alle sind widerlegt, und dennoch halten Grüne, SPD, CDU und FDP an ihren Plänen fest.
Jetzt zu Ihren neuesten Stellungnahmen in der Presse:
„Aus Sicht von Katja Clausen muss nun der schlimmste Fall verhindert werden – nämlich, dass der Wirtschaftshafen für einen gewissen Zeitraum nicht zur Verfügung steht.“ Katja, du hast es immer noch nicht verstanden: Wir sind verpflichtet den Hafenbetrieb ununterbrochen, gleichwertig und ausbaufähig sicherzustellen. Dein schlimmster Fall ist also ausgeschlossen.
Herr Schmidt-Skipiol sieht der Realität auch nicht ins Auge. Er verteilt Schuld und übersieht geflissentlich, dass es nicht um eine unbeantwortete Anfrage geht, sondern um eine Infrastruktur, zu der wir verpflichtet sind und die bis heute nicht hergestellt wurde. Er, der stets über die Finanzen der Stadt gewacht hat, übersieht völlig, dass der Finanzierungsplan für den Hafen-Ost Schnee von gestern ist und die Kosten total aus dem Ruder gelaufen sind.
Für eine gleichwertige, entwicklungsfähige Hafeninfrastruktur, so steht es schon in der Machbarkeitsstudie von 2019, hätte die Stadt mindestens 20 Millionen Euro in die Hand nehmen müssen. Angesichts der Baukostensteigerungen dürfen wir von mindestens 30 Millionen ausgehen. Die sind in den inzwischen auf 205 Millionen für das Ostufer sicher genauso wenig enthalten, wie die vielen Millionen, die für den Munitionsräumdienst anstehen.
Justus Klebe fühlt sich schlecht informiert. Bevor er nun wieder feststellt, dass die Hafenwirtschaft locker in Apenrade stattfinden kann, – Nein, liebe SPD, wir haben einen Wirtschaftshafen mit überregionaler Bedeutung, und wir können damit nicht machen, was wir wollen. Übrigens beinhaltet die Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums von 2019 nicht nur die Pflicht zum Vorhalten eines Wirtschaftshafens, sondern auch die Pflicht zur aktiven Förderung der Hafenwirtschaft. Eine Pflicht, die hier seit Jahrzehnten auf das Gröbste verletzt wird.“
Fehlt noch die FDP. Gestern wurden in der Phänomenta notwendige Investitionen für die Bildung angesprochen. Christoph Anastasiadis warnte in diesem Zusammenhang vor weiteren Schulden, mit denen wir kommende Generationen nicht belasten dürfen. Christoph, wir sollten uns Bildung leisten und die Entwicklung des Ostufers, die inzwischen mit unglaublichen 205 Millionen veranschlagt ist, den kommenden Generationen überlassen.
Sie treiben unsere Stadt mit ihren Plänen rund um das Ostufer in den Ruin. Sie ignorieren alle Unwegbarkeiten und halten stur an ihren Plänen fest. Ein Moratorium ist, ganz egal wie die heutige Verhandlung zwischen Stadt und Ministerien ausgegangen ist, längst überfällig!
Sie sind den Menschen in dieser Stadt schuldig, dass sie inhaltlich Stellung beziehen. Sie sind es ihnen schuldig alle offenen Fragen und Probleme der geplanten Ostuferentwicklung transparent und gründlich zu klären und bis dahin keine Fakten mehr zu schaffen.
Unser Oberbürgermeister hat vor seiner Wahl versprochen, keine Politik zu machen. Er sieht sich mehr als Chef der Verwaltung. Allerdings ist seine oberste Pflicht, Schaden von seiner Stadt fernzuhalten. Das beinhaltet auch die Verpflichtung und die Möglichkeit, Ratsbeschlüsse zu stoppen, wenn sie Schaden für die Stadt verursachen.
Ob soziale, ökologische, hafenwirtschaftliche oder finanzielle Aspekte: Alles spricht für eine dramatische, folgenschwere Fehlentwicklung für die Stadt Flensburg.
Ich erwarte heute, dass auch Sie, Herr Oberbürgermeister, Stellung beziehen, erklären, warum Sie bis jetzt keinen Schaden auf die Stadt zurollen sehen und uns das Ergebnis der heutigen Gespräche mit dem Ministerium mitteilen.“
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Bürgerinitiative Flensburger Hafen e.V.
Der Vorstand